Eyecatcher Boulevard-Medien
Reproduktion von Afrika-Bildern beim Festival „Ke Nako“:
Be-Bilderung, Standstills und Meinungs-Bild-ung: Wie reproduzierte das Festival „Ke Nako“ positive Afrika-Bilder, die aber gängigen Mechanismen folgen? Im folgenden Beitrag fordert die Autorin ein mutiges zeitgenössisches Afrikabild und die Abkehr von (Selbst-) Exotisierungen.
Zum Thema „Bilder“ ein kleines Coming-Out: Als ich vor kurzem zum ersten Mal in meinem Leben auf Krone-online landete, war ich äußerst erstaunt, wieviele kleine Bildchen sich am Cover, also auf der Startseite dieses beliebten österreichischen Boulevard-Mediums befinden. Ich suchte um die Bilder herum nach den Texten, den Artikeln zu den Fotos und konnte keine finden, bis mir jemand sagte, du mußt direkt auf die Bilder drauf klicken … Bilder und Fotos sind sehr wichtig, gerade in der unterbewussten Meinungs-bild-ung – diesen Umstand haben Boulevardmedien genau erkannt. Die so genannten „Qualitätsmedien“ berücksichtigen diese Erkenntnis aber eher nicht.
Bilder kommen aus der Kindheit, man denke an das Taka-Tuka-Land der Pippi Langstrumpf, an „Hatschi Bratschis Luftballon“ und die Menschenfresser oder an den edlen Sklaven aus „Onkel Toms Hütte“ – es erstehen einem sofort Bilder vor dem inneren Auge. Genauso kommen Spieltrieb und Kunst aus der Kindheit und daher positives emotionales Lernen – oft auf unbewusster Ebene. Wissenschafterinnen wie die Kunsthistorikerin Birgit Haehnel (Autorin von „Slavery in Art and Literature“) meinen nun, es sei praktisch unmöglich, neue Bilder zu Afrika zu erschaffen, denn die mit Sklaverei und Kolonialismus verhafteten und verbundenen „Images“ seien zu stark und über Jahrhunderte im kollektiven Unterbewußtsein verankert. Es wäre nur möglich, diese fixierten und fixen Bilder aufzugreifen und zu bearbeiten – wie es z.B. die Künstlerin Kara Walker mit ihren Scherenschnitten macht. Performerinnen wie Awelani Moyo aus Südafrika sagen im Gegensatz dazu, es sei notwendig, neue Bilder zu erschaffen, um z. B. mit den Mitteln der Performance Traumata aufzubrechen, die oft über fixierte Bilder/Standstills funktionieren. In einem Theaterstück las Moyo den Monolog eines ruandesischen Jungen vor, der lebend unter einem Leichenberg hervorgezogen worden war. Eine zweite Performerin schaukelte inzwischen unter der Decke des Theaters gefährlich und immer wilder hin und her, bis alle ZuseherInnen Angst bekamen, ihr könnte etwas passieren. Der schreckliche Text wurde so neu bebildert, mit neuen optischen Sensationen versehen. Mit Performance sei es möglich, den Handlungs-Spielraum zwischen einerseits Schockstarre und Handlungsunfähigkeit und andererseits Agency und Engagement zu eröffnen bzw. zu erweitern, führte die südafrikanischer Performerin im Interview in Wien aus.
Wie zwei verschiedene Menschen
Im Rahmen des in Österreich 2010 „Ke Nako“- Festivals wurde immer wieder ein „neues, differenziertes“Afrikabild beschworen, angerufen und eingefordert. Aber wie dieses aussehen könnte oder sollte, wurde nicht ausgearbeitet. Die M-Media Chefredakteurin Clara Akinyosoye und ich machten zur Evaluation neun lange Interviews mit „Ke Nako“-MitarbeiterInnen, und heraus kam der Wunsch nach einem „urbanen Bild“ Afrikas, mit Geschäftsmännern im Anzug, mit Laptop unter dem Arm. Der gleiche Künstler kann komplett unterschiedlich aussehen, ob es nun Promotionsbilder bzw. Eigenvermarktungs-Fotos mit nacktem Oberkörper von ihm gibt, die über seine Musik-Agentur herein kommen oder, wie in der Krone in klassisch „altmodischer“ Printjournalismusmanier üblich, im Rahmen einer Reportage Fotos gemacht werden, die diesen Künstler in kariertem Hemd bei einem Kinder-Workshop zeigen. Das jeweilige Ergebnis schaut zwangsläufig anders aus:
Derselbe Afrikaner sieht im Alltag plötzlich wie jemand anderer aus, als ob auf den beiden Fotos verschiedene Menschen abgebildet wären … Ich plädiere hiermit für die Abschaffung der Selbstexotisierungsfotos afrikanischer KünstlerInnen. Selbstexotisierung als Verkaufsstrategie funktioniert kaum mehr und befördert den Rassismus. Küche, Tanz, die viel zitierte „Lebensfreude“ oder die Aufgabe der AusländerInnen:
Unterhaltung der InländerInnen – so genannte „positive Bilder“ als Brücke zu den ÖsterreicherInnen repräsentieren oft Klischees. Diese Selbstbilder der kulinarischen und emotionalen Versorgung von EuropäerInnen durch AfrikanerInnen befördern oftmals Stereotypen – dass diese angebliche „positiv“ seien, macht das Ganze nicht viel besser. Noch einmal: Kinder konzentrieren sich auf ein Bild. Der Boulevard berücksichtigt das. Ein großes Manko am bemühten „Ke Nako“-Festival war daher meiner Meinung nach, dass es keine eigene Bildproduktion, keine eigene Bildagentur gab. Ein Mitarbeiter der Veranstalterorganisation VIDC meinte dazu im Interview, dass er nicht wisse, woher die Zeitungen ihre Bilder nahmen: „Von uns sicher nicht. Wahrscheinlich einfach aus dem Netz herunter geladen. Das ist ein Versäumnis der letzten Jahrzehnte unserer Arbeit.“
Sexotismus und Success Stories
Zusätzliche Probleme tauchen auf, wenn man „die ÖsterreicherInnen“ bei positiven „Körperbildern“, die über Tanz, Musik, Sport vermittelt werden, abholt. So werden vielleicht angenehme Gefühle gegenüber afrikanischen Menschen verstärkt, aber diese in alten Traditionen auf ihren Körper reduziert, manchmal entsteht sogar „Sexotismus“- Varianten. „Success Stories“ treffen auf lang gehegte Vorurteile, dass MigrantInnen brav sein und ohne Widerspruch alles leisten sollen, was von ihnen verlangt wird.
Mißverständnisse entstehen: So zogen sich zwei Musiker aus Sansibar weiße Kleider an, auf denen riesig ein Elefant und ein Zebra zu sehen war, im Wissen, dass TouristInnen diese Kleidung gefällt – die ZuhörerInnen im Jazz-Klub Porgy and Bess waren hingegen entsetzt. Ein Kreislauf, der schwer aufzubrechen ist: Was ziehe ich an, um EuropäerInnen zu beeindrucken? Ein Leopardenfell? Die wollen das. Warum wollen die das? Weil sie nichts anderes kennen und kriegen. Und auch wenn man, wie bei „Ke Nako“ geschehen, gegen das „Baströckchen“-Klischee auftritt – vor dem inneren Auge wird sofort ein Baströckchen erscheinen. Die Festival- Mitarbeiter/Organsiatoren Bella Bitugu und Kamdem Mou Po a Hom kannten dieses Kleidungsstück bezeichnenderweise gar nicht. „Was ist das? Wie schreibt man das?“, fragte mich Kamdem in Graz. Im Boulevard wird gerne über Einzelschicksale berichtet und emotionalisiert. Das demokratische Potential von Boulevardmedien mit LeserInnen-Zahlen über drei Millionen ist nicht zu vernachlässigen. Die „politics of belonging“ (Yuval Davis), die Mittel zur „sozialen Integration“, die hier publiziert werden, sind äußerst wichtig. Momentan stehen in bezug auf Afrikabilder Krieg, Hunger, Armut, Kinder mit großen Augen und einer Fliege auf der Nase versus „positive Körperbilder“ von ArtistInnen, die aber auch Assoziationen von Völkerschauen im Prater erwecken können.
Eine „neue“ Variante von Mythen über „Naturvölker“ beleuchtete die Ausstellung „Afrika. Afrique. Africa!“ des österreichischen Großbankiers Herbert Stepic im BA-Kunstforum, der auf engstem Raum mit mangelhafter Beschriftung Hunderte zum Teil religiöse, „männliche, furchteinflößende“ („Die Presse“) Figuren ausstellte, und laut Kleiner Zeitung (lokale österreichische Tageszeitung) „Stammeskunst“oder laut Kurier wieder einmal ein „unbekanntes Afrika“ repräsentierte. Diesem Bild möchte ich in diesem Artikel mit Bildern aus einer Performance von Awelani Moyo und von Berry Bickle aus dem Zimbabwe Pavillon von der Biennale Venedig ein zeitgenössisches, mutiges und anti-traumatisches Afrika entgegen halten. In einer eigenen Bildagentur sollte für Österreich verstärkt Vielfältigkeit entwickelt werden.
Haehnel B./Ulz M.: Slavery in Art and Literature. Berlin 2009
Ersterscheinung in der Frauensolidarität 4/2011, Schwerpunkt
„Medien, Demokratie und Bildpolitik“