postheadericon Viele bunte Autos und das Grauen aus dem All

Eine Punk Band aus dem Wien der 80er Jahre. Der Film „Malaria“, die Band „viele bunte Autos“: Auf dem „Soundtrack zum Film“– einer Vinyl-Single – waren sie mit dem Song „Küsse“ vertreten. Manche ihrer Texte kriegen ZeitgenossInnen bis heute nicht aus ihren Ohren heraus. Sängerin Angie Mörth entstammt der Vorarlberger Punk Szene. „Doch plötzlich hören sie donnernde Schritte. Es war die SS mit Horst in der Mitte, die kamen mit Netzen und Lassos gerannt, und haben die Kleinen in Dachau verbrannt. Liliputaner spielen Indianer, Liliputaner, der letzte Mohikaner.“

War die deutschsprachige Musik eurer Band „viele bunte Autos“ Punk oder eher New Wave?

„viele bunte Autos“ waren eher New Wave, denn die Zeit von Punk war, als ich in den früher 80er Jahren nach Wien zog, eigentlich fast schon vorbei. Zumindest für mich, denn in Vorarlberg war ich bereits mit 17 Jahren Sängerin in der Punk-Band The Vex gewesen. Wir waren öfter in Zürich –  Punk in Vorarlberg war durch die Nähe zu Zürich Wien fast voraus. Da gab es die „Züri brennt“-Bewegung, Ausschreitungen mit der Polizei, Hausbesetzungen, das Jugendzentrum „Rote Fabrik“. Wien kam mir eher vor wie noch in der Hippie-Zeit stecken geblieben (lacht). Unsere deutschsprachigen Texte bei „viele bunte Autos“ sind dann schon mit der Musik der „Neuen Welle“ in Deutschland gekommen, mit „Wirtschaftswunder“ oder „Palais Schaumburg“, alle mehr von der Kunst beeinflusst als diese reinen Punk-Bands. Vor Punk habe ich jahrelang fast ausschließlich Klassik gehört, Popkultur und Hitparade fand ich ekelhaft. Wir wenigen Punks waren in der Schule und in der Stadt Außenseiter, aber wenn ich jetzt sage, wir haben trotzdem  Spaß gehabt, dann ist das übertrieben, denn zu der Zeit waren wir nicht auf Spaß aus, sondern eher schwerst depressiv. Gothic gab es da noch nicht (lacht). Ich wollte immer nach England und war auch schon zu Punk-Anfangszeiten mal in London und von Bands wie Wire oder Siouxsie and the Banshees beeinflusst. Ernst Jandl oder H.C. Artmann waren auch wichtig, und die Dadaisten… Im Jugendzentrum gab es einen Raum, in den sie  uns zwar nicht eingesperrt haben, aber irgendwie war`s wie in einer Gummizelle – wir hatten Matratzen auf dem Boden und sind wie wild da herumgehopst, haben Pogo getanzt (lacht), ein Bier getrunken und hauptsächlich über Thomas Bernhard geredet.

Wie sah später  dein Umfeld in Wien aus?

In Wien fragten sie einen, bist du wirklich ein Punk, oder tust du nur so, bist du ein „Modepunk“? Das war dann mein „Künstlername“ bei den Autos. Ganz anders als in London, wo die Leute herzlich und offen waren. Beim Kunstgeschichte-Studium lernte ich dann jemanden kennen, der viele Instrumente ein bissl spielen konnte. Und ich hing damals viel im Plattengeschäft „Ton um Ton“ herum. Das gehörte dem Herbert Molin. Wir drei Dilettanten haben uns also zusammen getan. Anfang der 80er gab es nicht so viele Bands, die Punk machten, es gab die Pöbel, natürlich Chuzpe, die waren die bekanntesten, und die Mädels von A-Gen 53, die ihre Band nach einem Empfängnis-Verhütungsmittel genannt haben. Geprobt haben wir in der Gassergasse; in die Hausbesetzerszene, in der Ägidi und so waren wir aber nicht involviert. Wir machten ja auch eher poplastigere Musik, mit Synthesizer, Drumbox und Saxophon – nicht den „klassischen“ Gitarre-Schlagzeug-Punk. Schließlich sperrte der Herbie die „Bluebox“ auf und in diesem Umfeld entstand dann eine eigene Szene.

Ich war einmal in der dunkelblauen Bluebox, mit drei Kellnerinnen, die alle die gleich  schwarzgefärbte Frisur hatten, die eine war klein, die andere mittel und dritte groß…

Die Kleine war sicher ich! (lacht), die große die Martina Aichhorn; mit der gemeinsam bin ich dann als „Astaron – Das Grauen aus dem All“ auch dort aufgetreten. Die Bluebox wurde damals regelmäßig umgestylt, einmal mit Flugzeugsitzen in einem Raum, in dem alte Horror-B-Movies liefen. Mit viele bunte Autos spielten wir unser „Abschiedskonzert“ in der Bluebox. Wir sind ja nicht sehr oft aufgetreten, einmal in der Kulisse, im Amerlinghaus, beim Anti-Fa-Festival, einmal waren wir auf Kurztour in Tirol. Die Besetzung änderte sich auch ein paar Mal. Im Film „Malaria“ wurden Songs von unserem Demoband verwendet, was mehr Zufall war, denn unser Saxophonist gab das Band dem Regisseur, den er gut kannte. Später habe ich sogar kurz in einer WG mit einigen Leuten gewohnt, die den Film gemacht haben – es war alles so übergreifend, eine lebendige Szene. Es war alles ein riesiges Dorf in der Stadt. Trotzdem habe ich eigentlich erst ab dreißig angefangen, mich einigermaßen wohl zu fühlen, davor war ich fast immer schlecht drauf, das war nicht gespielt. Zu Punk-Zeiten war ich ein großer Georges Orwell-Fan und sagte immer, 1984 werde ich mich umbringen. Einige Freunde spielten ernsthaft mit dem Gedanken. Aber 1984 kam und keiner hat sich umgebracht (lacht). Es kamen der Casio und Korg MS 20, mit dem auch Leute Musik machen konnten, die eigentlich kein Instrument spielen. Dann hatte auf einmal jemand im Freundeskreis dieses
wunderbare Vier-Spur-Aufnahme-Gerät, die TASCAM, man konnte ganz allein selber alle Spuren aufnehmen. Und fast jeder in der Blue Box-Szene machte Musik oder hatte was damit zu tun.

viele bunte Autos: jetzt komme ich, CD (Klanggalerie) bei Mord & Musik, Lindengasse 22, 7. Bezirk

Erschienen im Augustin vom 2. Mai 2012

 

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