postheadericon „Ich kenne sehr viel arme Kinder!“

Muttersprachliches Kindertheater.

„Wo ist meine Frau? Schläft sie noch?“ „Warum schreist du so?“ „Nur ich muss in diesem Haus arbeiten!“ „Warum streitet ihr immer? Ihr müsst nicht streiten, meine liebe Schwiegertochter.“ Nach jedem Satz folgt gleich die Übersetzung auf Romanes bzw. in andere Sprachen – live auf der Bühne. Die Kinder der Volksschule Johnstraße lernen so einiges im Muttersprachen-Unterricht, z. B. Simultandolmetsch. Die „liebe Schwiegertochter“, kommt noch mehrmals vor – sehr pädagogisch das Stück. Die Erwachsenen lachen. Sieben Reihen voller Eltern und Handykameras, vorne die Kinder aufgeregt auf blauen Turnmatten. Kleine Sonnen picken auf den Fenstern des Turnsaales.

 

„Nun kommt ein bekanntes Stück, ein bißchen traurig: Sterntaler.“ Rabie Peric, die serbische Romni und Muttersprachenlehrerin für Roma-Kinder, hält mit ernster Miene das Mikro dem jeweiligen Kind vor die Nase. „Kannst du mir dein letztes Stück Brot geben?“ „Ich kann doch.“ „Wo hast du deine Schuhe vergessen?“ „Ich habe einfach keine.“ Auf Romanes, Türkisch oder Serbisch klingen die Kinderstimmen höher und fröhlicher. Es geht um ein Gemeinschaftsgefühl gegen Armut. „Gott wird es dir vergelten. Oh Gott, oh boze, boze, oh devla, devla, oh allah, allah.“ So viele verschiedene Götter in diesem Turnsaal, aber am Ende regnet es Sterntaler auf das arme Mädchen.

Volksschuldirektorin Bach erklärt mir, dass sie den braven Augustin-Verkäufer vom Hofer eingeladen hat. Der Rumäne, der Kindern manchmal über die Straße hilft, freut sich über das tolle Buffett und strahlt über das ganze Gesicht, bleibt aber nicht lange. Die neunjährige Yasmin spielte die Hauptrolle im „Sterntaler“, „Ich will Theater machen. Ich liebe Rabie, sie liebt alle, sie ist eine schöne Lehrerin“, sagt sie. Matija will Architekt werden, im Stück las er einen langen Text auf deutsch vor – ohne Fehler. Toni Kostic hat extra Romanes gelernt. „Ich war der mit dem Brot, ein armes Kind, ich kenne sehr viele“, meint er. „Wenn ich Geld habe, versuche ich den Bettlern zu geben“, sagt der kleine Akif, „ich finde sie arm und ich will helfen“.

Erschienen im Augustin 358, 8. 1. – 21. 1. 2014

Kommentieren ist momentan nicht möglich.

Archiv