„Wir sahen die Zeichen an der Wand“
Buch eines Kämpfers und Palästina-Flüchtlings erschienen.
„Meine Mutter hatte ein gutes Herz“, schreibt Karl Pfeiffer über seine Kindheit in Baden bei Wien. „Nie hat sie einen ‚Schnorrer’ – die meisten kamen aus Polen und waren orthodox – abgewiesen.“ Die flotte, schwungvolle Energie seines Buches „Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg“, die der 85-jährige Journalist Pfeifer auch selber ausstrahlt, wenn man ihn im „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes“ trifft, erfüllt einen mit Tatendrang. Gleichzeitig fragt man sich, ob es die schlimmen Erlebnisse sind, die ihm wie ein unsichtbarer Propeller bis heute so viel Antriebskraft verleihen.
Seine Mutter starb früh an Krebs, und Pfeifer kann sich an den Kanonendonner 1934 erinnern, als der sozialdemokratische Schutzbund niedergeschlagen wurde. „Uns ergreift ein Grauen“, schrieb sein Vater. Der kleine Karl, der 1938, den Sprechchören im Radio lauschend, dachte, die Menschen wären verrückt geworden, wird nach Ungarn ins Internat geschickt. In Pfeifers Buch geht es, außer um Flucht- und Verfolgungsgeschichten, auch sehr viel um Sozialismus, Kommunismus, um Hoffnung auf Gemeinschaft, ums Essen. Um die Realität, völlig auf sich alleine gestellt zu sein, und um frühe Militarisierung, denn schon ab 1938 musste er am paramilitärischen Dienst Levente teilnehmen. Sein „Schicksal“ – 36 Verwandte werden im kroatischen Jasenovac und in Auschwitz-Birkenau umgebracht – und die allgemeinen Ereignisse sind sehr gut ineinander verwoben, es gibt kaum sprachliche Brüche. Karl Pfeifer kommt mit einem der drei (!) europäischen Kinder- und Jugendlichentransporte legal nach Palästina und lebt in einem Kibbuz, bis er sich freiwillig für die Palmach meldet, eine militärische Einsatztruppe, die „Armee eines armen Volkes“. Über seinen ersten Toten, einen Araber, verliert er nicht viel Worte, über den Tod seines Vaters übrigens auch nicht. Als seine vier Zimmerkollegen in einem Scharmützel sterben und er nur wegen Kopfschmerzen nicht dabei war, folgt wenig mehr an Emotions-Ausdruck. „Natürlich schämte ich mich sehr, wenn ich weinte“, schreibt er. Ein „altes Kind“, das Unmengen an Verlusten erlitt, ein kleiner Kämpfer, der mit 21 Jahren demilitarisiert wurde.
Karl Pfeifer: Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg. Edition Steinbauer, Wien 2013
Erschienen im Augustin 5. 2. – 18. 2. 2014
Wie gründlich hat die Rezensentin das Buch gelesen, wenn sie meine „frühe Militarisierung“ beklagt und behauptet ich hätte schon als zehnjähriger Dienst im paramilitärischen Levente leisten müssen?
Auf Seite 33 schrieb ich: „Ab der dritten Gymnasialklasse mussten wir am paramilitärischen Dienst Levente teilnehmen.“ D.h. Ab dem 13. Lebensjahr.
Aber ich bin geschmeichelt, wenn die Rezensentin des „Augustin“ mir bescheinigt ein „Palästinaflüchtling“ zu sein und anerkennt, dass es „kaum sprachliche Brüche“ in meinem Buch gibt. Was ich ihr leider nicht bescheinigen kann.