Täter-Handbuch über den Loibl
Zur Geschichte eines Mauthausen-Außenlagers.
Figuren über Figuren, Menschen über Unmenschen: Lagerältester wurde „der schöne Rudi“, ein „Berufsverbrecher“. „Er übte seinen Beruf unter dem Pseudonym Ludwig Druckner auch nach dem Kriege aus.“ SS-Untersturmfüher Karl Sachse, von den Franzosen „Toutoune“ (Wauwau) genannt, war ein schrecklicher Schläger. Baron Born, ein Großgrundbesitzer aus Trzic, war ein jugoslawischer Jude, der zum Katholizismus übergetreten war. Beamte und technisches Personal am Loiblpaß wohnten in seinen Gebäuden, Baron Born selbst starb im KZ. Wie konnte sich Buch-Autor Janko Tisler bloß alle diese Einzelheiten über alle diese Menschen merken?
Kein Einheimischer kann behaupten, nichts von der Außenstelle des KZ-Mauthausen am Loiblpaß gewusst zu haben, denn Tausende Menschen waren auf der Süd- und später auf der Nordseite des Loiblpasses dabei, wie in zwei Stollen von um die 1800 französischen, polnischen, russischen und italienischen KZ-Häftlingen der Loibl-Tunnel gegraben wurde. „Die Länder Mittel- und Nordeuropas bekamen damit freie Fahrt in Richtung Adria“, schreibt Tisler. Es ist erschütternd, wieviele „ganz normale, zivile“ Menschen direkt an den Vorgängen in den beiden KZs Loibl Süd und Nord beteiligt waren: Bauern, Polizisten, SS-ler, „Berufsverbrecher“, Köchinnen, Haushälterinnen, Fahrer, Techniker. Kärntner_innen, Slowen_innen, Kroaten, Deutsche. Nichts war geheim und muss bis heute über die Erlebnisse ihrer Vorfahren in den Köpfen der Einheimischen fest verankert sein. Akribisch und äußerst genau beobachtete und dokumentierte der zu Beginn 17-jährige zivile Zwangsarbeiter Janko Tisler die zahlreichen Täter_innen am Loilpaß. Ob die alle jemals verfolgt wurden? Sicher nicht. Sehr mutig, dass Tisler seine gesammelten Recherchen auch auf deutsch veröffentlichte. Diese Dokumentation ist Tislers Lebenswerk, auch wenn er später Generaldirektor von fünf Erdölgesellschaften in Gabun war.
1943 wurden Handwerker und Techniker von diversen Arbeitsämtern zwangsrekrutiert und auf den Loibl geschickt. Die Wiener Firma „Universale“ baute. Lagerkommandant Amadus Smolle und seine „willensstarke Frau, die das Zivillager leitete“, SS-Obersturmführer Julius Ludolph. Universale Firmenleiter Anton Göbl, Mitglied der NSDAP. Die französischen Häftlinge Andre Moreau, Jacques Noury, Andre Menard und Camille Becquer (Foto). Alle außer Noury konnten am Tag der heimlichen Aufnahme fliehen. Mehrere Transporte mit Hunderten durch die Arbeit krank gewordenen Häftlingen gingen nach Mauthausen ins KZ zurück und wurden nie mehr gesehen.
Kurz nach der Buchveröffentlichung auf deutsch starb Tisler mit 93 Jahren, der sich 1944 den Partisanen angeschlossen hatte, nachdem er knapp der GESTAPO entwischt war.
Janko Tisler/Christian Tessier: Das Loibl-KZ, Die Geschichte des Mauthausen-Außenlagers am Loiblpaß/Ljubelj, Mauthausen-Schriftreihe, Books on Demand
Ersterscheinung im Augustin vom 28. 9. bis 11. 10. 2016