Fagott auf Weltreise
Hörbuch für „Migrationslücken“.
Wie ist das nun mit „Herkunfts-Kulturen“ von Kindern und der „Kultur“ der Aufnahmegesellschaft? Auch wenn soziale Kulturen keine Inseln sind und sich ständig vermischen, gibt es gewisse Traditionen in Familien. Wie zum Beispiel in der Musik. „Manche Kinder verstummen schon im Kindergarten“, warnt eine Sprachpädagogin bei der Präsentation des Hörbuchs „Sieben Blätter und ein Stein“ und berichtet, wie schwierig es sei, Kinder wieder aus diesem Schweigen herauszuholen. Die Kinder flüchten in eine Fantasiewelt, weil ihre Muttersprache und ihre Traditionen in der Schule überhaupt nicht vorkommen und sie sich auf deutsch (noch) schlecht ausdrücken können. „Es klafft eine Lücke“, sagt Wei-Ya Lin, die Hörbuch-Herausgeberin: „Obwohl die Wiener Gesellschaft nach mehreren Einwanderungswellen längst multikulturell geworden ist, sind das Bildungssystem und die betreffende Gesetzgebung noch lange nicht darauf vorbereitet. In den Schulen entsteht dadurch eine Lücke.“
Das Hörbuch will diese Lücke mit der Neu-Interpretation unterschiedlicher Lieder und Melodien und mit einem neuen, aus alten Märchen entstandenen „Märchen im Märchen“ füllen. Eine Wiener Volks- und eine Mittelschule waren beteiligt, Kinder jeden Alters also.
Am Anfang brachten die SchülerInnen, nach ihren Lieblingssongs befragt, internationale Pop Songs mit und erst auf Nachfragen dann Lieder aus ihren sozialen Herkunfts-Kulturen. Musik, die sie zu Hause gehört haben und hören.
Jedes Lied auf der CD ist in seiner Misch-Komposition aus Ländern, Traditionen und Sprachen nun ganz eigen und speziell geworden – wie zum Beispiel „Das Kamel auf Reisen“, in dem erstaunlicherweise der Brautchor aus „Lohengrin“ vorkommt!
StudentInnen der Wiener Musikuniversität brachten den Kindern über den Zeitraum von acht Monate hinweg Instrumente bei. Kindern, die sonst aus finanziellen Gründen eher nicht mit Musikunterricht in Berührung gekommen wären. Horn, Posaune, Tuba und Fagott waren beim Konzert zu hören, aber auch Schlaginstrumente. Die Kinder lernten schnell, „aus dem Nichts heraus“, wie die Schuldirektorin sagt, und sie durften die Instrumente behalten.
Wei-Ya Lin (Hg.): Sieben Blätter und ein Stein. Das Märchen von Märchen. Verlag Bibliothek der Provinz, inklusive einer Märchen- und einer Musik CD
Ersterscheinung im Augustin, 24. 5. – 6. 6. 2017