postheadericon „Super zoom“ aus Südafrika: „You live in a property bubble“

Die beiden südafrikanischen Performerinnen Awelani Moyo und Mmakgosi Kgabi spielen sich hin und weg: „Professor! The state of the West is – excuse my words – fucked up!“

Mit leichtem Geiste und mal eben so nebenbei mit leichter Geste zertrümmern die beiden Frauen Afrika-Klischees in den Köpfen der Wiener Zuschauer – ein Bild nach dem anderen: Awelani Moyo und Mmakgosi Kgabi aus Südafrika hüpfen auf Satire überhöht traditionelle afrikanische Tänze, verfremden die südafrikanische Hymne und strahlen dabei fröhlich von der Bühne herauf in den Zuschauerraum. Ein heller Bretterboden aus Holz liegt über dem schwarzen Boden im schwarz ausgemalten Theater „Dschungel“ im Wiener Museumsquartier. Die Performance „super zoom – Or how I learnt to Feel Good about The African Way“ veräppelt klassische Casting Shows: Zwei Afrikanerinnen investieren ins verarmte Europa und suchen unter den ZuschauerInnen einen Star, um ihr Geld los zu werden. Die fürchten sich und sind begeistert – gleichzeitig. „We travelled all this way – to invest in Vienna! Austria! Europe!“ Saxophonsolo, grünes Licht, klassische Bilder einer schwarzen Frau in Modeshows, dünn und souverän. Und der Jingel, bei dem die beiden in schicken schwarzen Kleidern auf Stöckelschuhen jedes Mal ihre Hüften kreisen: „Super sexy!“ Die beiden zeigen „a couple of contemporary styles“ – „Don’t forget, we are Africans, we can do everything!“ – und starten den Aufruf auf die Bühne zu kommen. „Just be yourself!“ Und es trauen sich echt welche, beim Casting mitzumachen. Die erleichterten Zuschauer gröhlen wie bei einem Fußballspiel.

You never asked

Erste Aufgabe der Casting-Kandidaten ist es, ein Kunststück vorzuführen: Die große spanischsprachige Schwarze in rosa Radler-Trikot rappt eine Runde, Nummer 2, eine Österreicherin, bewegt sich in Figuren langsam als Tänzerin, ihre Hände sehen plötzlich doppelt so lang aus. Ihre Freunde oben in der vorletzten Reihe beißen nervös auf den Nägeln. Einer asiatisch aussehenden Frau fällt nichts ein. Jemand schlägt ihr vor, etwas chinesisches oder japanisches zu singen. „How do you know, she is chinese or japanese? You never even asked!“, schimpft Awelani. Die Frau singt urschön ein „fremdsprachiges“ Lied, bricht plötzlich auf einem hohen Ton ab, Angst in den Augen. Die beiden Profis springen sofort ein, holen sie aus der Situation heraus. Applaus. Ein hübscher Blonder spielt mit Händen und Füßen Schlagzeug auf dem Bretterboden. Die letzte Konkurrentin tut etwas ganz Verrücktes: Sie droht ihr Handy zu schlucken und steckt es halb in den Mund. Entsetztes Flehen aus dem Zuschauerraum. Mmakgosi bremst sie aus. Streng werden zwei von den fünf aussortiert für die nächste Runde.

Just be yourself

Der berühmte Musiker Miles Davis lächelte nie, weil er nicht den ewigen „big smile“ eines schwarzen Unterhalters geben wollte, der eifrig hüpfend mit den Augen rollt. Tief verankert sind die Bilder in den Köpfen, die die beiden Damen hier live on stage auflösen. Die Ideen für die Szenen stammten von ihnen selbst und wurden mit dem Team des „pink zebra“-Theaters umgesetzt. Wilde Assoziationen, als die beiden erst eng umschlungen langsam Walzer tanzen, dann wie junge Hunde auf der Bühne herum tollen und „wuffwuff“ machen, sich übereinander stappeln. „Ich sah die entsetzten Gesichter in der ersten Reihe“, lacht Mmakgosi später. Live auf der Bühne kommentiert sie die Szene mit „I was a dog on stage in Vienna (Kopfschütteln). What will the Africans think… My reputation! This we do for money.“ Das Publikum lacht. „This is not funny: Two black women sitting at the bottom of a budget, next to the dogs…“ In der zweiten Casting-Runde sollen die Protagonistinnen einen „very simple“ Zulu Tanz nachtanzen. Krafttanz mit drei Hüpfern, Beine in die Luft geschleudert, geschrieen. „It is only fair, that every individuum stands alone.“ „Be yourself!“, „Be natural!“, lauten die Anweisungen. Die Zuschauer husten. Die Zulu-Imitationen der drei Damen sehen lustig aus, von dekorativ-sexy bis Kampfkunst oder Selbstverteidigung. Awelani und Mmakgosi unterhalten sich derweil laut über „die Kultur in Europa“, bei der niemand freiwillig auf die Bühne will – selbst für Geld nicht und wenn man gebeten wird. In Johannisburg würden die Leute sich um so eine Chance reißen! Ähnlich Christoph Schlingensief, der das Format „Show mit Live-ZuschauerInnen“ untersuchte, springen die beiden zwischen Nähe und Distanz hin und her. Emotional tief berührt, aber ratlos hinterläßt die ZuschauerInnen eine Szene, in der die beiden ganz langsam, ruhig und weinend die Treppen hinauf gehen. Tränen glitzern in Awelanis Augen, Mmakgosi wickelt eine Schnur auf – am Ende fällt auf der Bühne ein hohes Brett um. Wumm! Eine Frau schreit auf, während die beiden schon wieder auf den Stufen sitzen und einzelne Zuschauer nach ihren Eindrücken fragen. „Wie würde das aussehen, wenn in der Szene grüner Schleim aus meinem Mund käme?“ „Wie ein Alien“, antwortet ein Zuseher.

The state of the west

Höhepunkt des Stückes ist aber die Professoren-Szene, in der beide fulminant die „banking crisis – the consequences seem to be negative?!“ und die „capital structure of the world“ diskutieren. „Somehow surprising for you in the Western hemisphere…“, lachen sie, denn für AfrikanerInnen ist die „capital structure of the world“ nicht wirklich neu oder überraschend. „The balance of power is shifting!“ Das muss man gesehen haben, wie die beiden sich weg und hinweg spielen, rasante Wortspiele in den Raum stellen, auf ihren Brillengestellen kauen. „Professor! The state of the West is – excuse my words – fucked up!“ „Die Chinesen“ spielen erneut eine Rolle: „Considering that the chinese are my friends, I am not in crisis!“ „Considering that I have no nuts and you earn peanuts, I have no balls… (?), it may be the West, who is crying over spilt milk…“ Es folgt Füße waschen in Milch, schlendern und diskutieren, bis der eine Professor dem anderen plötzlich mit der Zunge die Wange hinauf schleckt und weiter werden fröhlich Genderrollen, rassistische Klischees und Humor miteinander verquirlt und vermixt, bis emotionale Lockerungsübungen und Klamauk entstehen. Ähnlich wie in „Pornokino“, einer früheren Produktion der Dramaturgin Vanja Fuchs und ihrem Mann, dem „künstlerischen Gesamtleiter“ Peter Fuchs. Die Musik wurde eigens für die Show produziert und ist auf CD erhältlich.

 

You buy, buy, buy

„Am schwersten war die Szene mit dem Wasser und dem Tap Dance“, erzählt Mmakgosi Kgabi später. Beruhend auf einem echten Vorfall, als ihr in einem Wiener Kaffeehaus ein Kellner kein Wasser geben wollte, improvisiert sie auf offener Bühne in Ruderleibchen und grauer Gabardine-Hose: „I was walking all the way from Africa“, macht Krach mit ihren Tap Dance Schuhen, „I wanted a glas of water, as I heard your water is very pure and sweet“, Krach mit den Schuhen, „and they would not give it to me!“. Tanzt eine Runde hin und her. „You must understand, I had my passport, my visa, my pearls…“ Schlägt Krach auf dem Holzbretterboden. „I’ll be back and I’ll buy all your fucking water!“ Mit dieser „Drohung“ stolziert sie hinaus, noch nach links und rechts tap dancend. Man hört eine Toilettenspülung. Das Wasser rauscht. In der Schlußszene singt Awelani wunderschön „You had it all and you threw it all away“. „…living in a bubble“, hört man, „floating in a bubble“, „when it falls you have nobody to blame“… Eine singt, eine macht Musik a la Rap dazu, „you buy, buy, buy… you want some more, you do not need this…“, „you live in a property bubble, bubble, bubble“! Bleibt noch zu berichten, dass die asiatische Frau die echten 100 Euro dieser Casting Show gewann („there can only be one true winner“), mit goldenem Hut, rosa Kleid und roten Blumen ausstaffiert auf der Bühne sitzen muss und schlußendlich selbst auf der Bühne zu improvisieren beginnt, was die Zuschauer zu Lachstürmen hinreißt. Gejohle. Drei Vorhänge.


Erstveröffentlichung Online in „M-Media Diversity Mediawatch Austria“ am 22.8.2011

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