Gunter Damisch: Die Akademie als Misthaufen
Sie hörten sich an wie Punks, hatten Proberäume in der Gassergasse, und der damalige Wissenschaftsminister Fischer setzte sich nach der Räumung dafür ein, dass die Kunststudenten ihre Instrumente von der Polizei zurückbekamen: ein Interview mit dem Maler und Bassisten Gunter Damisch und ein sehr häßlicher Rückblick auf die Band „Molto brutto“.
Maghrebinischer Flüchtling statt Sehnsuchtsreise
Wie eine Privatperson dem Staat die Flüchtlingsunterstützung abnimmt: Die schöne Stadt Villach verfügt über tschetschenische Internetcafes, MigrantInnenberatungsstellen auch für Roma, die als Galerie dienen, und tolle Ausstellungs- und Konzert-Orte wie den „Kulturhofkeller“. Aber ziemlich dringend fehlt es an TherapeutInnen für Trauma-Schäden und – an einer Straßenzeitung.
„Bei mir darf er ja spinnen“, sagt B. im Kulturhofkeller in Villach und deutet mit der Hand auf M., der freundlich lächelt. „Und das nutzt er weidlich aus.“ Die beiden wirken wie ein altes Ehepaar, was sie aber nicht sind, sie leben bloß seit Jahren in einer Art Wohngemeinschaft zusammen und kennen sich genau. „Vor der Saualm war M. in einer noch viel grauslicheren Einrichtung, einer Vorzeigeinstitution für Flüchtlinge im negativen Sinn. Die mittlerweile gesperrt ist.“ B. wirkt ein bißchen müde und ausgebrannt, aber immer noch zäh und entschlossen. „In dem Heim gab es immer Brösel. Und keine Deeskalations-Maßnahmen. Die sitzen da aufeinander, die ganzen Flüchtlinge, mit ihren schlimmen Erfahrungen gemeinsam eingepfercht, ohne Perspektive. Es war urheiß und einige tranken in dieser nervenaufreibenden Situation auch noch Alkohol. Auf jeden Fall kriegte M. einen Schlag ins Gesicht und es kam zu einem Raufhandel. Dann hat man ihn und einen zweiten Araber auf die Saualm in die Sonderanstalt für straffällige Asylwerber hinauf geschossen“, erzählt B. weiter. „Obwohl er angegriffen worden war, ist er letztendlich als Einziger sitzen gegangen. Unter der Devise, er würde ins Krankenhaus kommen, brachte man ihn in einer Nacht-und-Nebel Aktion auf die Saualm hinauf.“
Die Räume zwischen den Wörtern hassen
Venediger Kunstbiennale und „Salon der Angst“ auf der Suche nach dem Zipfel des Universums: Machen Menschen „mit besonderen geistigen Bedürfnissen“ die spannendere Kunst? Von Obsessionen, Systemen und Strukturen: In die venezianische Biennale-Wunderkammer ist sehr viel „Art Brut“ eingeflossen. Im Wiener „Salon der Angst“ dominiert „das Abbild“.
Antiheldenhafte Serien-Kunst, bildhafte Obsessionen, eifrige und fleißige Suche in Systemen und Strukturen: Die Kunst Biennale in Venedig zeigt unter dem Titel „Der Palast der Enzyklopädie“ sehr viele „Art Brut“-Kunstwerke. Was war vorher, die Wissenschaft oder die Kunst? Oder die „Abnomalien“? Oder entstand die Wissenschaft, indem forschende Wächter die „Narren“ und „Närrinnen“ zu beobachten begannen, in den runden „Narrentürmen“, den Vorläufern der Gefängnisse – wie der französische Philosoph Michel Foucault schreibt? Ist Kunst eigentlich sowieso Obsession, oder nur ihre Ausführung und Bearbeitung? Der italienische Kurator Massimiliano Gioni wollte mit seiner Enzyklopädie-Biennale „einen Zipfel des Universums erhaschen“.
Karl Markovics muss ins Theater
Shakespeare Stück „Der Sturm“ in Probe.
„Sind Sie der, von dem wir denken, dass Sie es sind?“, fragt ein großgewachsener Jugendlicher den Schauspieler Karl Markovics, der auf offener Straße in einem Kaffeehaus sitzt. Vor lauter Freude schenkt der junge Mann eine Karotte her – „leider nicht die Pizza“, meint Markovics dazu und futtert die Karotte. „Ich brauche immer konkrete Bilder“, sagt er über seinen ersten Film, den genialen Kinoerfolg „Atmen“, der klare Farben lieferte, minimalistische Szenen und Charaktere, wie reduziert auf ihr Wesentlichstes. In enger Zusammenarbeit mit dem Kameramann setzte der Neo-Regisseur seine inneren Bilder um. „Ich bin ja sehr genau“, sagt er und wirkt live sehr ähnlich seinen Charakteren in „Kommissar Rex“ und „Stockinger“. „Manchmal spießte es sich schon. Ich höre aber nie auf, bevor es genau das war, was ich wollte“. Er arbeite über den Raum, „Michale Haneke baute sogar eine Wohnung nach“, lächelt er wissend. „Was Absurdes zu erfinden, was nicht Hand und Fuß hat, interessiert mich nicht“, sagt der Film-Erzeuger eines Jungen, der in der Tiefe eines Schwimmingpools beim Luftanhalten seine Fluchtlinie sucht, Ruhe und Stille und von dem man nie weiss, ob er wieder auftauchen wird. „Schon als Kind wusste ich, dass ich Geschichten entwickeln, meine eigenen Sachen erschaffen werde. Film ist allumfassend, man erschafft eine Welt.“
„Was mich nicht umbringt, macht mich härter“
Andreas Peham: Haider fühlte sich als Nachkomme von Erniedrigten. Warum distanzierten sich die Kinder oder Enkel von österreichischen NationalsozialistInnen so schwer von ihren Eltern? Warum wollten sich die Politiker Jörg Haider und Heinz Christian Strache als Opfer fühlen, anstatt eigene Ambivalenzen zu thematisieren? Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, spricht über verdrehte Opfer-Geschichten.
In Deutschland protestierten die Söhne und Töchter von Nationalsozialisten gegen ihre Eltern. Warum nicht in Österreich?
Es gibt ein Buch von Claudia Brunner, der Nichte oder Großnichte von Alois Brunner, einem wichtigen NS-Täter. Der Historiker Gerhard Botz arbeitete zu seinem Vater auf dem Balkan, aber erst, als er selber schon emeritiert war. Peter Sichrovsky schrieb schon in den 80er Jahren das Buch „Schuldig geboren“. Er stammt aus einer linken, jüdischen Familie und versuchte, Jörg Haider von seinem Nazi-Vater weg zu bringen. Sichrovsky, der sich zwischen 1994 und 2002 an führender Stelle in der FPÖ engagierte, ist nach Knittelfeld wieder aus der FPÖ ausgetreten. Er sagt später, er ist gescheitert. Jörg Haider hat ihn wie einen Ersatzvater behandelt. Robert Haider, Jörgs echter Vater, war ein illegaler Nazi. Als der „Fall Kampl“ öffentlich diskutiert wurde, sprach Haider über dieses Dilemma: Sigi Kampl, Bürgermeister von Gurk, ein Kärntner, auch in der FPÖ und ebenfalls das Kind von Nazis, beschwerte sich über die brutale Nazi-Verfolgung und denkt dabei natürlich an seine eigene Familie. Haider sagte dann in Reaktion darauf, und das war einer der wenigen ehrlichen Momente in einem Interview: „Sie wissen gar nicht, was es heißt, als Kind von Nazis aufzuwachsen.“