Hitler wird nicht abgestaubt
Dr. Bert Kellermann: „Ausländer beim Roulette besonders bevorzugt“
Wie „Fremde“ in der Tradition des Glücksspiels stehen und auf welche Weise Glücksspielsucht mit Konflikten zwischen „Gastarbeiter“-Vätern und ihren Söhnen zu tun hat, erklärt Bert Kellermann, ehemaliger Chefarzt der Suchtabteilung auf der Psychiatrie in Hamburg Ochsenzoll. Selbsthilfegruppen seien der einzige Weg, denn „gegen Sucht gibt es keine Pille“. Aber Achtung: „Die Pharmaindustrie hat eine sehr starke Lobby.“
Jüdische Flüchtlinge: „Die Ausreise ist immer teurer geworden“
Fast alle Länder machten ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge dicht. Rettung per Schiff: Aufgerieben zwischen den Anordnungen Adolf Eichmanns und dessen „Wiener Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, den existenziellen Nöten der jüdischen Flüchtlinge und extremen organisatorischen und finanziellen Anforderungen ermöglichte Berthold Storfer insgesamt 9096 Menschen die Ausreise aus dem nationalsozialistischen „Deutschen Reich“. Ein Interview mit der Wissenschafterin und Autorin Gabriele Anderl, die nach langen Recherchen ein Buch darüber publiziert hat.
Wie haben Sie alle diese hundertausend spannenden Einzelheiten über Storfers Schiffe herausgekriegt?
Auf vier Donaudampfern und drei Hochseeschiffen organisierte Berthold Storfer 1939 und 1940 den größten illegalen Transport nach Palästina während der NS-Zeit. Zur Organisation dieses Transportes gibt es einen Aktenbestand, der der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde gehört, sich aber in den „Central Archives for the History of the Jewish People“ in Jerusalem befindet. Storfers Aktentasche voll mit Dokumenten wurde erst vor Kurzem von der Historikerin Evelyn Adunka in einem Wiener Depot der Kultusgemeinde entdeckt. Storfer verfasste regelmäßig Mitteilungen für die Leitung der Kultusgemeinde und für Eichmann und die Zentralstelle für jüdische Auswanderung, die über jeden seiner Schritte genau informiert sein wollten.
Keorapetse Kgositsile: Kein Wort für Staatsbürger
Im heutigen Südafrika, in der Hinterfragung des politischen Selbstverständnisses und der Absage an politisches Kunstschaffen, mag der Dichter Keorapetse William Kgositsile, mit seinem Kulturbegriff altmodisch erscheinen, doch der über 70jährige vermittelt nach wie vor Begeisterung für die Integration in die Gesellschaft – für alle Moagis.
Berliner Konferenz: Export der sozialen Frage nach Afrika
Sie teilten sich den Kongo, ein Gebiet achtzigmal größer als Belgien, einfach unter sich auf: König Leopold II. von Belgien und der deutsche Bismarck unterzeichneten 1884 in Berlin einen Vertrag, in dem Deutschland versicherte, die belgische Kolonialpolitik im Kongo zu tolerieren, Belgien hingegen garantierte dem deutschen Schnaps- und Waffenhandel keine Einschränkung aufzuerlegen. „Die Schnapsausfuhr von Hamburg nach Westafrika war von 1875 bis 1884 auf mehr als das Dreifache gestiegen“, schreibt Pierrette Herzberger-Fofana in ihrem faktenreichen, spannenden Buch „Berlin 125 Jahre danach. Eine fast vergessene deutsch-afrikanische Geschichte“. Auch sollte einer Revolution vorgebeugt werden: „Das wichtigste Argument für den Besitz von Kolonien war der Export der sozialen Frage, um ein Ventil für die sozialen Spannungen in Deutschland zu schaffen.“ Das Buch erschien nun in der von Esperance-Francois Ng. Bulayumi herausgegebenen Reihe des Afroasiatischen Institutes Wien.