Geschichtsbild ohne Partisaninnen
Im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien werden keine Kompromisse möglich sein. Entweder wird ein Uniformen-Weltbild ohne Täter-Benennung fortgeführt, oder es muss neu aufgestellt werden. Auf der Tagung und Ausstellung „HGM neu denken“ gab es Anregungen.
Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien war in letzter Zeit öfters in den Schlagzeilen. Kriegsverherrlichung (etwa rechtsextreme Bücher und Wehrmachtspanzer-Spielzeug), Misswirtschaft – die Vorwürfe haben es in sich. Und wurden so laut, dass das Verteidigungsministerium diese durch Kommissionen prüfen lässt.
Mit „HGM neu denken“, einem eintägigen Tagungs- und Ausstellungsformat, widmeten sich die Autorin und Literaturwissenschafterin Elena Messner und der bildende Künstler und Filmemacher Nils Olger dem Problem. Die beiden beschäftigen sich schon lange mit dem HGM, nun luden sie WissenschaftlerInnen und Kunstschaffende zur ersten breiten Diskussion zur Frage, wie ein zeitgenössisches, kritisches Museum heute aussehen könnte.
Banana Split und keine Angst
Comic Strips mit Superheldinnen, Karikaturen über Künstler oder Zeichnungen aus dem Lager Blechhammer: Das Museum Judenplatz zeigt künstlerische Überlebens-Strategien.

Paul Peter Porges, Anschluss Heldenplatz (c) Jüdisches Museum Wien
Ein Sigmund Freud mit großer Brille über einem bunten Teil hängend, das einer Blumenschale ähnlich sieht. Titel: „Dr. S. Freud kostet seinen ersten Banana-Split“. In Amerika! Ein Psychoanalytiker, der sagt „It’s perfectly alright to be a swine.“ Auf dem Sofa liegt (erraten): ein Schwein. Der Zeichner Peter Paul Porges aus Wien Fünfhaus (mit zwölf Jahren auf den Kindertransport) dachte, wenn er bei einer New Yorker Zeitung arbeite, dürfe er endlich Zeichnungen erstellen, um „Leute zu erziehen“. Doch er durfte nicht: „Du musst die Leute so dumm wie möglich lassen, um etwas mit ihnen anfangen zu können – sie zu benutzen“, ist sein Fazit im Filminterview. Er amüsierte sich aber trotzdem prächtig. Das Museum am Judenplatz zeigt bis 17. November 2019 drei KünstlerInnen, die, den Nazis entkommen, ihre ganz eigenen Vorstellungen und Interpretationen des amerikanischen Lebensstils vor ihrer Nase abbildeten. Doch „das Deutsche“ bleibt trotz Flucht in den Zeichnungen. „Less Sturm! Less Drang! Less Punk“, kommentiert zum Beispiel eine Mutter zu ihrem übertrieben übenden Kind am Klavier. Oder: „Sie haben eine Lebensmittel-Vergiftung“, sagt ein Arzt zu einem im Bett liegenden Künstler. Über dem Kranken hängen gemalte, überdimensionale Zitronen, Zwiebel, Fische an der Wand…
„In Schönbrunn durfte man nicht hausieren“
Flammender Flaschenbaum, Fischschwanzpalme, Sauersack aus Südmexiko: Anlässlich von „100 Jahre Gärten der Republik“ führte ein Bundesgärtner durch das Palmenhaus in Schönbrunn.
Fotos: Lisbeth Kovacic
„Der Burggarten mit seinem ersten Glashausbau, dem Remyschen Glashaus, war erst nur für die Kaiserfamilie bestimmt und zeigte Pflanzen aus der ganzen Welt, die extra aus anderen Kontinenten importiert wurden und die in Europa erstmals von Menschen gesehen wurden“, erzählt Bundesgärtner Daniel Rohrauer. Auf verwunderte Blicke des Publikums folgt der Nachsatz des Gärtners: „Als Mensch hat damals nur der Europäer gegolten.“
1901/02 wurde das sogenannte Remy’sche Glashaus, benannt nach dem Architekten Ludwig Gabriel von Remy, durch ein neues ersetzt. Die Umbauten im Burggarten in dieser Phase seien durch Otto Wagner inspiriert worden, das hätten neue Archivrecherchen ergeben, so der Gärtner. Fix ist, dass Hofgärtner Vetter 1864 nach Sizilien gefahren ist und von einer Sammelreise mit 223 neuen Zitronenbäumchen zurückgekehrt ist, von denen sind heute noch 46 am Leben. Oder die Azaleen wurden aus dem Züchtungszentrum Sachsen importiert, der saure Torf-Boden dazu aus dem ganzen Kaiserreich.
Eine gute Schnurre gibt es auch zu erzählen: Nach dem Zweiten Weltkrieg sollen die Gärtner_innen nur noch mit Helm ins Palmenhaus im Burggarten gegangen sein – bis zum Einsturz der Reichsbrücke. Der Auslöser dafür, das Palmenhaus wegen Statik-Problemen zuzusperren. Als Ausweichquartier diente das frühere Sonnenuhrhaus (und heutige Wüstenhaus) in Schönbrunn. Das Palmenhaus im Burggarten wurde 1990 wieder eröffnet, somit konnten die Schmetterlinge im freigewordenen Sonnenuhrhaus in Schönbrunn Platz finden. Dort blieben sie acht Jahre, bis das Schmetterlinghaus in den Burggarten übersiedelt wurde, wo es sich nach wie vor befindet.
Wer aufmuckt, hat verloren
Die Anarchie scheint dahin, ebenso wie das Lustige, Rebellische, Revolutionäre – der Flohmarkt ist kein Volksfest mehr. Auf dem Wiener Naschmarkt wird mit Polizei und Marktamtangestellten schon um zwei Uhr ein Frühschluss durchgesetzt – mit gravierenden Folgen. Ein Besuch.
Die Leichtigkeit ist dahin. Kaum haben die Standler aufgebaut, könnten sie schon wieder abbauen. Jedes Glas einzeln in Zeitungspapier einwickeln. „Es gibt ein Gesetz“, sagt ein rotgewandeter Markt-Beamter. „Eine Verordnung“, verbessert ein anderer. „Das hat der Gemeinderat so beschlossen.“ Das Marktamt beruft sich auf die Politiker, Besucher berufen sich auf die Menschlichkeit und das Gemeinschaftsgefühl. Die gefühlte Gesellschaft, das Gemeinsame. Doch das Lustige, Rebellische, Revolutionäre, das scheint dahin.
„Ich habe die Baupläne gesehen“, behauptet ein flotter Kaffeehauspächter, der aufhören wird. „Die wollen auf längere Sicht den Restaurantnaschmarkt ausbauen!“ Auf Nachfrage meint er, dass das Parkplatz-Areal, auf dem der Flohmarkt stattfindet, mehreren Bezirken gehört, und er die Bebauungspläne auf einer Internet-Seite des Bezirks Margareten gefunden habe. Und weg ist er. Zwei kleine Braune und einen frischen Aschenbecher bringen.
Bilder sind Worte, Worte sind Bilder
Kabbalah und zeitgenössische Kunst im Wiener Jüdischen Museum: Rabbiner verwarfen sie, doch die Kabbalisten holten die Bilder zurück. Aus diesem Grund verbucht die Kabbalah einen bis heute andauernden Erfolg, auch bei zeitgenössischen KünstlerInnen. Das Jüdische Museum widmet sich nun dieser Verbindung in einer Ausstellung.

Ghiora Aharoni – (C) wulz.cc
„Zuhause in New York in meinem Atelier habe ich echte Rosenblätter und wechsle die jede Woche aus. Jedes Mal, wenn die verwelken und sterben, streue ich neue. Das ist wie ein Ritual des Wechselns. Die Skulptur ist fast am Leben und im Leben.“ Der Künstler Ghiora Aharoni beugt sich herunter und deutet auf die fragile Basis seiner Skulptur „What’s in the Rose“ (2017). „Diese Rosenblätter hier im Museum bestehen aus Seide. Ich benutzte den ersten Satz des Buches Zohar, den Beginn der Kabbalah. Die Rose kann stärker sein als Metall, aber Metall zerstört die Welt.“ Im Wiener Jüdischen Museum ist die Ausstellung „Kabbalah“, die sich auf diese mystische Tradition des Judentums bezieht, ganz im Dunkeln gehalten. Das wenige Licht in den schwarzen Räumen verändert sich, dadurch scheinen auch die Objekte veränderlich. Ziemlich mystisch. Es ist erstaunlich, wie es das Museum immer wieder schafft, die Ausstrahlung der Räume komplett zu verändern. In seiner Skulptur aus Glas und Reagenzgläsern, auf der Wörter stehen, die nur von innen zu lesen wären, geht es um die Kreation von Licht, sagt Aharoni noch. Dann folgt eine komplizierte Erklärung, warum in Judentum und Islam die Wörter keine Symbole bedeuteten, da beide Religionen „antiikonisch“ seien und die Buchstaben selbst zu Bildern würden. Deswegen würde Schrift in seiner Skulptur nicht mit dem Aleph beginnen, sondern mit dem zweiten Buchstaben im hebräischen Alphabet, dem Beth. Beth stehe als Symbol für „viele andere Anfänge“ (auf Englisch: „many beginnings“), von denen wir aber nichts wüssten. Eine Welt mit verborgenen Eingängen tut sich auf.