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postheadericon „Die Ehrung von Lueger sollte verunmöglicht werden“

Identitäre gegen Künstler_innen beim Wiener Lueger-Denkmal: Sind unsere Geschichtsbilder einzementiert? Sind Denkmäler für immer? Oder dürfen, ja müssen sie verändert werden, wenn als Zeichen einer lebhaften Demokratie Geschichte neu debattiert wird? Und was könnte man gegen zwei weiße Statuen in Erinnerung an einen NS-Massenmörder in Klagenfurt tun?

Ein Gespräch mit dem Wiener Künstler Eduard Freudmann.

Die kürzlich verstorbene Ruth Klüger beschrieb in einem Buch sehr früh die vielfache Ehrung, die dem antisemitischen Wiener Bürgermeister Lueger zuteil wurde: Er erhielt Straßen, einen Platz, ein Denkmal, einen Platz und einen Teil der Ringstraße. Vor 25 Jahren machte der Bildhauer und Maler Bernd Fasching bereits ein Projekt zur Umgestaltung des Denkmals beim Stubentor. Der Wettbewerb der Universität für angewandte Kunst – Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal – ist mittlerweile auch schon zehn Jahre her. „Im Rahmen der Plattform Geschichtspolitik machten wir für den damaligen Wettbewerb ein paar Einreichungen, die alle utopischen Charakter hatten, weil wir davon ausgingen, dass es eh nicht realisiert wird“, erzählt der Wiener Künstler Eduard Freudmann im covid-bedingten Telefoninterview. „Dass eine Riesentafel mit der Aufschrift ‚Wer ein Antisemit ist, bestimme ich‘ von einem Helikopter abgeworfen wird und das Denkmal zerstört; oder dass es gesprengt wird und die Teile bis in den Loiblpass-Tunnel, den französische KZ-Häftlinge in der Nazizeit erbauen mussten, fliegen; oder eingraben und nur die Schädelkuppe soll herausschauen!“ Im Juli 2020 wurde das Lueger-Denkmal von unbekannten AutorInnen mehrmals durch Graffiti mit den Worten „Schande“ markiert. Die Verwunderung war groß, dass im Zusammenhang mit den Denkmalstürzen in den USA die Diskussion keine „konzentrischen Kreise“ zog. Eine weitere Markierung des Denkmals mit goldenen Buchstaben Anfang Oktober wurde durch einen plötzlichen Angriff der Identitären zerstört. „Ich habe schon damit gerechnet, dass irgendwelche Faschisten auftauchen werden“, resümiert Eduard Freudmann rückblickend, „denn die reklamieren das Denkmal mittlerweile für sich. Nicht mehr die Christlichsozialen, sondern die Neofaschisten. Sie verwenden es für ihre Propaganda. Die Polizisten haben die Angreifer einfach machen lassen, als sie mit Hammer und Meißel aufkreuzten. Nicht einmal deren Identität wurde festgestellt.“ Nun warten viele Künstler_innen auf eine neue oder alte Wiener Kulturstadträtin – die jetzige wünscht sich eine Umgestaltung. Eduard Freudmann hofft auf eine aussagekräftige Intervention: „Die Ehrung von Lueger soll verunmöglicht werden. Eine Wischi-Waschi-Veränderung reicht nicht.“

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