Artikel-Schlagworte: „Frauendiskriminierung“
Anna und ihre Nachfahren
Armut und angeblich „asoziales“ Verhalten brachten Anna Burger ins Konzentrationslager.
„Bis heute hält sich hartnäckig die Sichtweise, die als ‚asozial‘ oder ‚kriminell‘ Verfolgten hätten ihre Haft selbst verschuldet, wären zu Recht im Konzentrationslager gewesen“, schreibt Brigitte Halbmayr in ihrem Buch „Brüchiges Schweigen“ über Anna Burger. Burger wurde als sogenannte „Asoziale“ im KZ Ravensbrück von den Nazis ermordet. Die Nazis verfolgten mit der ihnen eigenen Hartnäckigkeit von Armut betroffene Menschen, sie sollten aus dem angeblich so gesunden „Volkskörper“ eliminiert werden. Bis heute wurde die Opfergruppe vom Gesetzgeber nicht anerkannt. Viele Archive und Nachlässe zu den „asozialen Frauen“ sind noch nicht gesichtet.
Aus Scham schweigen viele Nachfahren von „asozialen“ Frauen leider bis heute. Anna Burgers von der Fürsorge verstreute Kinder hatten selber um das Überleben zu kämpfen, erst ihre Enkelin suchte nach den Spuren ihres Lebens. In jeder Familie gäbe es eine „Gedenkkerze“, steht in dem Buch, also zumeist eine Frau, der unbewusst die Aufgaben der Recherche und der Aufarbeitung übertragen werden.
Brigitte Halbmayr: Brüchiges Schweigen. Tod in Ravensbrück – auf den Spuren der Anna Burger, Mandelbaum Verlag, Wien, Berlin 2023
Ersterscheinung im Augustin, Nummer 575, 24. 5. – 6. 6.2023
„Was macht Frontex in unserem Parlament?“
Flüchtlinge als ExpertInnen Nummer 1 – Eine Konferenz in Hamburg. Auf der Flüchtlingskonferenz in Hamburg erläutern SprecherInnen die Lage in den Transitländern Marokko und Tunesien. Was bei solchen Tagungen meist nicht der Fall ist, passierte hier wie selbstverständlich: Die wirklichen Fachleute waren stark vertreten. Über 2000 Flüchtlinge besuchten die dreitägige Refugee Conference. Kerstin Kellermann beobachtete für den Augustin.
„Es ist Europas Versagen, den Verletzten und Verletzlichen keine Sicherheit zu geben“, sagt eine afrikanische Flüchtlingsfrau auf dem Pressetermin zur Konferenz auf Kampnagel in Hamburg, zu der so viele Betroffene angereist sind. „Wir wollen etwas beitragen für die Gesellschaft, um die Knospen der Änderung aufspringen zu lassen. Im Moment wachsen Kinder unter völlig inakzeptablen Umständen in isolierten Flüchtlingslagern auf. Wir wollen Lösungen und Aktionen finden, um politische Änderungen zu fördern.“ Draußen vor dem Fenster ist ein riesiger Verschiebe-Kran zu sehen, das Tanzquartier Kampnagel ist in einer alten Fabrik angesiedelt. „Ich bin sehr traurig“, sagt ein alter Rom aus Mazedonien, „dass Flüchtlinge in diesem Niemands-Elendsland an der griechischen Grenze Polizeigewalt erleben müssen. Auch in Deutschland ist es für uns Roma sehr anstrengend geworden mit dieser zunehmenden rechtsextremen Gewalt.“ Die Strukturen kollabierten zunehmend, ist hier der Tenor, „die Situation kann nicht so bleiben“. Viele Flüchtlinge sehen das so, dass zunehmend auch ihre eigene Bereitschaft, politisch zu handeln, gefragt wäre.
Einzige Frauenband Salzburgs: Die Suffragetten
Da der Film „Taten statt Worte“ über die Wahlrechtsbewegung der britischen Suffragetten heute ins Kino kommt, eine Rückschau auf einen Artikel in den Salzburger Nachrichten vom 29. Juni 1987 über die Suffragetten-Band.
Salzburg hat keine eigenständige Rock-Szene? Wer dies noch immer behauptet, gehört zu den Nörglern, die nicht auf dem Laufenden sind. Samstag war Salzburg-Tag im Kulturgelände Nonntal: mit den aggressiv-ironischen „Molotow & the Cocktails“, mit den sauber, aber etwas eintönigen spielenden „Zet“ und vor allem mit den „Suffragetten“, der einzigen Frauenband an der Salzach. Ihren Namen liehen sie sich von den britischen Vorkämpferinnen für die Frauenrechte um die Jahrhundertwende. Baß und Schlagzeug sind nun auch in Salzburg keine Männer-Domäne mehr. Es wurde erfrischend improvisiert, und bei Pannen nahm man augenzwinkernd Hilfe in Anspruch. Motto: kein Rückzug ins Ghetto, sondern aktive Gleichberechtigung. Den Kabelsalat auf der Bühne, den durften vor ihren Augen die Männer ordnen.
Ersterscheinung: Salzburger Nachrichten vom 29. Juni 1987 (AutorIn unbekannt)
Die Suffragetten
Saxophon: Sonja
Baß: Veronika
Gesang und Gitarre: Biene
Schlagzeug: Kerstin
Die subjektive Prolo Schlagzeug Kolumne auf dem skug Online
Bosnien-Flüchtlinge 1997: Nirgendwohin und zurück
Ein alter Artikel – weil der Umgang mit den Bosnien-Flüchtlinge derzeit so romantisiert wird:
Offizielles Visumsende ist der 31. August. Doch hinter den Kulissen laufen schon die Vorbereitungen der österreichischen Regierung für die „Rückführung“ der bosnischen Flüchtlinge. In Traiskirchen sitzen circa 320 Menschen ohne Informationen über die Rückkehrgebiete, betreuende Organisationen durfen auch in andere Lager nicht hinein. Sogenannte kriegstraumatisierte Frauen, davon viele mit muslimischer Herkunft, können nicht zurückkehren. Was wird mit ihnen geschehen?
Ein Dorf in den Bergen, umrundet von schneebedeckten Wäldern mitten im April. Hier gibt es weder Einkaufs- noch Arbeitsmöglichkeiten; um den Hauptplatz stehen hohe alte Häuser, ehemals teure Kurhotels. Nun herrscht die Tristesse; zwei der Gebäude stehen leer, die Fensterscheiben sind kaputt, eine Tür schlägt im Wind auf und zu. Doch zwei andere Gebäude sind voller Menschen: „Wir sind das bosnische Flüchtlingslager“, erklärt ein junger Mann. Wien ist eine halbe Autostunde entfernt. Noch letzte Woche waren in dem Dorf 200 Flüchtlinge, die in den letzten Monaten aus aufgelassenen kleinen Lagern in Niederösterreich gekommen sind, einquartiert. Sie gehören zu den 10.700 bosnischen Flüchtlingen, die noch in Bundesbetreuung stehen und keinen Status Quo besitzen. Sie gelten als „nicht integriert“ und als „bevorzugte“ Gruppe für die sogenannte Rückführung, die seit 15. März durch österreichische RegierungsvertreterInnen vorbereitet wird. Eine bosnische Organisation, die den Menschen Informationen über die Lage in den Gebieten in Ex-Jugoslawien zukommen lassen wollte, bekam sofort und sehr konkret Schwierigkeiten mit den Behörden.
„Hyänen der Lust“ und Tragetiere
Ausstellung: Frauen im Ersten Weltkrieg im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.
Soll der düstere neue Hauptbahnhof mit seinen schwarzen Wänden und seinem schweren Dach eine Art Erinnerungs-Blitz sein? Denn dieser deutet genau aufs Arsenal und weist damit darauf hin, dass der Bahnhof ursprünglich für Soldaten und den Krieg erschaffen wurde. Sogar das Heeresgeschichtliche Museum mit seinem Backsteinbau wirkt dagegen freundlich, zumindest der kleine Raum neben dem Eingangstor, der mit 16 Schautafeln (englisch!) zum Thema „WoMen at War, k.u.k. Frauenbilder 1914 – 1918“ voll gestellt ist. Hier erfährt man erstaunliche Dinge, über das fleißige offizielle Kriegsfürsorgeamt des k.und k. Kriegsministeriums z.B., oder dass in Sarajevo auch die „Gattin Gräfin Sophie von Hohenberg“ ermordet wurde und dass Frauen „harte körperliche Arbeit in der Rüstungsindustrie“ leisteten, die „wichtigste Aufgabe aber die sparsame Haushaltsführung“ war. Es gab Vorträge und Kurse über die Möglichkeiten „aus Nichts etwas zu machen“.