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Karl Markovics muss ins Theater
Shakespeare Stück „Der Sturm“ in Probe.
„Sind Sie der, von dem wir denken, dass Sie es sind?“, fragt ein großgewachsener Jugendlicher den Schauspieler Karl Markovics, der auf offener Straße in einem Kaffeehaus sitzt. Vor lauter Freude schenkt der junge Mann eine Karotte her – „leider nicht die Pizza“, meint Markovics dazu und futtert die Karotte. „Ich brauche immer konkrete Bilder“, sagt er über seinen ersten Film, den genialen Kinoerfolg „Atmen“, der klare Farben lieferte, minimalistische Szenen und Charaktere, wie reduziert auf ihr Wesentlichstes. In enger Zusammenarbeit mit dem Kameramann setzte der Neo-Regisseur seine inneren Bilder um. „Ich bin ja sehr genau“, sagt er und wirkt live sehr ähnlich seinen Charakteren in „Kommissar Rex“ und „Stockinger“. „Manchmal spießte es sich schon. Ich höre aber nie auf, bevor es genau das war, was ich wollte“. Er arbeite über den Raum, „Michale Haneke baute sogar eine Wohnung nach“, lächelt er wissend. „Was Absurdes zu erfinden, was nicht Hand und Fuß hat, interessiert mich nicht“, sagt der Film-Erzeuger eines Jungen, der in der Tiefe eines Schwimmingpools beim Luftanhalten seine Fluchtlinie sucht, Ruhe und Stille und von dem man nie weiss, ob er wieder auftauchen wird. „Schon als Kind wusste ich, dass ich Geschichten entwickeln, meine eigenen Sachen erschaffen werde. Film ist allumfassend, man erschafft eine Welt.“
„Was mich nicht umbringt, macht mich härter“
Andreas Peham: Haider fühlte sich als Nachkomme von Erniedrigten. Warum distanzierten sich die Kinder oder Enkel von österreichischen NationalsozialistInnen so schwer von ihren Eltern? Warum wollten sich die Politiker Jörg Haider und Heinz Christian Strache als Opfer fühlen, anstatt eigene Ambivalenzen zu thematisieren? Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, spricht über verdrehte Opfer-Geschichten.
In Deutschland protestierten die Söhne und Töchter von Nationalsozialisten gegen ihre Eltern. Warum nicht in Österreich?
Es gibt ein Buch von Claudia Brunner, der Nichte oder Großnichte von Alois Brunner, einem wichtigen NS-Täter. Der Historiker Gerhard Botz arbeitete zu seinem Vater auf dem Balkan, aber erst, als er selber schon emeritiert war. Peter Sichrovsky schrieb schon in den 80er Jahren das Buch „Schuldig geboren“. Er stammt aus einer linken, jüdischen Familie und versuchte, Jörg Haider von seinem Nazi-Vater weg zu bringen. Sichrovsky, der sich zwischen 1994 und 2002 an führender Stelle in der FPÖ engagierte, ist nach Knittelfeld wieder aus der FPÖ ausgetreten. Er sagt später, er ist gescheitert. Jörg Haider hat ihn wie einen Ersatzvater behandelt. Robert Haider, Jörgs echter Vater, war ein illegaler Nazi. Als der „Fall Kampl“ öffentlich diskutiert wurde, sprach Haider über dieses Dilemma: Sigi Kampl, Bürgermeister von Gurk, ein Kärntner, auch in der FPÖ und ebenfalls das Kind von Nazis, beschwerte sich über die brutale Nazi-Verfolgung und denkt dabei natürlich an seine eigene Familie. Haider sagte dann in Reaktion darauf, und das war einer der wenigen ehrlichen Momente in einem Interview: „Sie wissen gar nicht, was es heißt, als Kind von Nazis aufzuwachsen.“
Kampusch: Kleine Überlebens-Künstlerin
Natscha Kampuschs Buch über ihre Gefangenschaft und Folter ist wirklich erstaunlich. Denn es konzentriert sich auf die kleinen Strategien und Tricks, sich Tag für Tag beinahe künstlerische Ideen auszudenken, um sich selbst zu unterstützen. Denn die größte Gefahr angesichts eines übermächtigen Täters ist sicher, in die Selbst-Auflösung, die Selbst- auslöschung zu verfallen – sich als eigenständige Person aufzugeben und die herabwürdigenden und gemeinen Werte des Täters zu internalisieren.
„Heime heilen? Größter Quatsch!“
Diagnose „sozialer Milieuschaden“: Abstempelung wie gehabt
SS-Erzieher. Dass ehemalige SS-ler als Erzieher in dem Kinderheim am Wiener Wilhelminenberg gearbeitet haben, war, bevor mutige Opfer nun endlich an die Öffentlichkeit gingen, nicht bekannt. Genauso unbekannt ist, dass es bis Anfang der 70er Jahre, zumindest in Deutschland, noch „Flüchtlingslager“ aus dem Zweiten Weltkrieg gab, aus denen Kinder mit der Diagnose „sozialer Milieuschaden“ in Heime geschickt wurden. Der ehemalige Chefarzt der Suchtabteilung der Psychiatrie in Hamburg Ochsenzoll, Bert Kellermann, erinnert sich.