Artikel-Schlagworte: „Krieg“
Geschichtsbild ohne Partisaninnen
Im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien werden keine Kompromisse möglich sein. Entweder wird ein Uniformen-Weltbild ohne Täter-Benennung fortgeführt, oder es muss neu aufgestellt werden. Auf der Tagung und Ausstellung „HGM neu denken“ gab es Anregungen.
Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien war in letzter Zeit öfters in den Schlagzeilen. Kriegsverherrlichung (etwa rechtsextreme Bücher und Wehrmachtspanzer-Spielzeug), Misswirtschaft – die Vorwürfe haben es in sich. Und wurden so laut, dass das Verteidigungsministerium diese durch Kommissionen prüfen lässt.
Mit „HGM neu denken“, einem eintägigen Tagungs- und Ausstellungsformat, widmeten sich die Autorin und Literaturwissenschafterin Elena Messner und der bildende Künstler und Filmemacher Nils Olger dem Problem. Die beiden beschäftigen sich schon lange mit dem HGM, nun luden sie WissenschaftlerInnen und Kunstschaffende zur ersten breiten Diskussion zur Frage, wie ein zeitgenössisches, kritisches Museum heute aussehen könnte.
Bosnien-Flüchtlinge 1997: Nirgendwohin und zurück
Ein alter Artikel – weil der Umgang mit den Bosnien-Flüchtlinge derzeit so romantisiert wird:
Offizielles Visumsende ist der 31. August. Doch hinter den Kulissen laufen schon die Vorbereitungen der österreichischen Regierung für die „Rückführung“ der bosnischen Flüchtlinge. In Traiskirchen sitzen circa 320 Menschen ohne Informationen über die Rückkehrgebiete, betreuende Organisationen durfen auch in andere Lager nicht hinein. Sogenannte kriegstraumatisierte Frauen, davon viele mit muslimischer Herkunft, können nicht zurückkehren. Was wird mit ihnen geschehen?
Ein Dorf in den Bergen, umrundet von schneebedeckten Wäldern mitten im April. Hier gibt es weder Einkaufs- noch Arbeitsmöglichkeiten; um den Hauptplatz stehen hohe alte Häuser, ehemals teure Kurhotels. Nun herrscht die Tristesse; zwei der Gebäude stehen leer, die Fensterscheiben sind kaputt, eine Tür schlägt im Wind auf und zu. Doch zwei andere Gebäude sind voller Menschen: „Wir sind das bosnische Flüchtlingslager“, erklärt ein junger Mann. Wien ist eine halbe Autostunde entfernt. Noch letzte Woche waren in dem Dorf 200 Flüchtlinge, die in den letzten Monaten aus aufgelassenen kleinen Lagern in Niederösterreich gekommen sind, einquartiert. Sie gehören zu den 10.700 bosnischen Flüchtlingen, die noch in Bundesbetreuung stehen und keinen Status Quo besitzen. Sie gelten als „nicht integriert“ und als „bevorzugte“ Gruppe für die sogenannte Rückführung, die seit 15. März durch österreichische RegierungsvertreterInnen vorbereitet wird. Eine bosnische Organisation, die den Menschen Informationen über die Lage in den Gebieten in Ex-Jugoslawien zukommen lassen wollte, bekam sofort und sehr konkret Schwierigkeiten mit den Behörden.
Die Arbeit der Erniedrigung
Den Bildern aus dem Erstaufnahmezentrum von Traiskirchen entströmt eine gewisse Leere. Bilder aus Flüchtlingslagern führen in einen „zentralen Strudel“.
„Der Krieg ist keine Sache der Gefühle. Er ist eine Sache der Abwesenheit von Gefühlen. Ebendiese Leere ist das Kriegsgefühl“, schreibt Georges Didi-Hubermann in „Remontagen der erlittenen Zeit“. Ich weiß noch genau, wann mich dieses Gefühl der Leere in meiner eigentlich journalistischen Arbeit mit Flüchtlingen das erste Mal überkam: Das war, als eine wunderschöne junge Frau aus dem Kongo neben meinem Schreibtisch stand, in der Redaktion unserer Flüchtlingszeitung, und geduldig wartete, ob ich einen Schlafplatz auftreiben würde. Ich wusste genau, wenn ich nichts für sie finde, wird sie die Nacht wieder bei irgendeinem österreichischen Mann verbringen müssen – der Lohn für seinen Schlafplatz einforderte oder auch nicht. Dabei war sie zu uns in die Zeitung gekommen, nachdem sie aus der Prostitution ausgestiegen war. Sie suchte eine andere Möglichkeit, finanziell zu überleben. Um unsere Flüchtlings-Zeitungen am Westbahnhof zu verkaufen, zog sie einen langärmeligen, schwarzen Pullover und weite Jeans an. Trotzdem schwirrten die österreichischen Männer „wie die Geier“ um sie herum. Wir mussten drei männliche Zeitungsverkäufer abstellen, um sie zu beschützen.
Gunter Damisch: Die Akademie als Misthaufen
Sie hörten sich an wie Punks, hatten Proberäume in der Gassergasse, und der damalige Wissenschaftsminister Fischer setzte sich nach der Räumung dafür ein, dass die Kunststudenten ihre Instrumente von der Polizei zurückbekamen: ein Interview mit dem Maler und Bassisten Gunter Damisch und ein sehr häßlicher Rückblick auf die Band „Molto brutto“.
„Was mich nicht umbringt, macht mich härter“
Andreas Peham: Haider fühlte sich als Nachkomme von Erniedrigten. Warum distanzierten sich die Kinder oder Enkel von österreichischen NationalsozialistInnen so schwer von ihren Eltern? Warum wollten sich die Politiker Jörg Haider und Heinz Christian Strache als Opfer fühlen, anstatt eigene Ambivalenzen zu thematisieren? Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, spricht über verdrehte Opfer-Geschichten.
In Deutschland protestierten die Söhne und Töchter von Nationalsozialisten gegen ihre Eltern. Warum nicht in Österreich?
Es gibt ein Buch von Claudia Brunner, der Nichte oder Großnichte von Alois Brunner, einem wichtigen NS-Täter. Der Historiker Gerhard Botz arbeitete zu seinem Vater auf dem Balkan, aber erst, als er selber schon emeritiert war. Peter Sichrovsky schrieb schon in den 80er Jahren das Buch „Schuldig geboren“. Er stammt aus einer linken, jüdischen Familie und versuchte, Jörg Haider von seinem Nazi-Vater weg zu bringen. Sichrovsky, der sich zwischen 1994 und 2002 an führender Stelle in der FPÖ engagierte, ist nach Knittelfeld wieder aus der FPÖ ausgetreten. Er sagt später, er ist gescheitert. Jörg Haider hat ihn wie einen Ersatzvater behandelt. Robert Haider, Jörgs echter Vater, war ein illegaler Nazi. Als der „Fall Kampl“ öffentlich diskutiert wurde, sprach Haider über dieses Dilemma: Sigi Kampl, Bürgermeister von Gurk, ein Kärntner, auch in der FPÖ und ebenfalls das Kind von Nazis, beschwerte sich über die brutale Nazi-Verfolgung und denkt dabei natürlich an seine eigene Familie. Haider sagte dann in Reaktion darauf, und das war einer der wenigen ehrlichen Momente in einem Interview: „Sie wissen gar nicht, was es heißt, als Kind von Nazis aufzuwachsen.“