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Traumweltherrscher
Popkulturelle Fluchtlinien zum Thema Pogrom und Shoah.
Das Buch wirkt so, als ob ein paar Kapitel fehlen würden. Es ist viel zu dünn. Es fehlen praktisch noch zwei Drittel. Der deutsche Literaturwissenschaftler Jonas Engelmann trug in einem ersten Versuch Variationen von Fluchtlinien für und von jüdischen Menschen zusammen, die mit Hilfe der Popkultur den Mechanismen der Verfolgung entkommen möchten. Engelmann fand unter anderem literarische Strategien, die Shoah als „Teil der Struktur“ von Literatur in die Sprache einzubauen. So wechseln in „W oder die Kindheitserinnerungen“ von Georges Perec permanent die Erzählebenen. Es geht um eine Insel, auf der die gesellschaftliche Ordnung über Sport funktioniert. Mit Hilfe von Verschiebungen und Leerstellen weist das Buch über sich hinaus. Zum Beispiel auf den Roman „Anton Voyls Fortgang“ von Perec, der ohne den Buchstaben E auskommt, einem „Lipogramm-Roman“. Er überlebte in einem Kinderheim versteckt, seine Mutter starb in Auschwitz. Perec schrieb die Abwesenheit, die Vernichtung der europäischen Juden direkt in die Sprache als Abwesenheit ein. Fehlende Eeeeeeeeeeeeeeeeees. Millionen! Die Technik erinnert etwas an Marianne Fritz, die versuchte, dem Thema Krieg über Bild und Sprache gleichzeitig näherzukommen. Der „Lesefluss“ will sich nicht einstellen, „ich bin ganz nah am Tod, wo gischtfingrig nach mir grapscht“. Kein E.
Ösi-Dichter gingen unter
Das Land muss spielen lernen – seine Autoren können es bereits.
Schon 18 Länderspiele absolvierte das „Österreichische Autoren Fußball Team“ in den letzten Jahren. Nun ging es gegen die israelischen Kollegen. Der gelernte Schriftsetzer Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen & Autoren, hoffte heuer auf einen Lyriker im Tor der Israelis. Doch es war ein Prosa-Schreiber, und die Mannschaft der österreichischen Schriftsteller verliert prompt mit 6:1 gegen die Israelis. Größen wie Egyd Gstättner oder Martin Amanshauer bemühten sich umsonst. Letztes Jahr gegen Schottland waren es nur 3:1.
Marianne Fritz: Die Rübenmüdigkeit
Konzepthalter aus Plastik, ein Lesepult aus den Resten von Spanplatten, Versuchsschachteln. Kugelige Texte in Bildern, räumliche Bilder in Texten: Zwei Menschen arbeiten jahrzehntelang in ihrer Wohnung zusammen. Die Frau schreibt, der Mann recherchiert. Otto Dünser, Lebensgefährte von Marianne Fritz, im „Standstill“ einer Wohnung.
Tief und ironisch klingt die Stimme aus dem Gang zwischen Backsteinwänden hervor. „Muss ich nun den Blättern der Rüben meine Seele geben? Ich spüre die Rübenmüdigkeit in mir. Die Gier nach Rüben kommt in der Rübenmüdigkeit zu ihrer Grenze.“ Träumerisch verspielt folgen noch lauter Worte mit Ü’s in Poetik verspannt, wie das Gemüt und immer wieder die Rüben und die Rübenmüdigkeit. Es klingt ein bißchen so, als ob jemand schlafwandlerisch vor sich hin spricht, nicht ganz da und nicht ganz fort. „Alle Pflanzenkrankheiten müssen sich irgendwo ansiedeln dürfen, um sich zu spüren“, tönt es aus dem Lautsprecher. „Die ihre Müdigkeit spüren. Wurzelbrand. Die Rübe.“ Diesen Beitrag weiterlesen »