Artikel-Schlagworte: „Theater“

postheadericon Marianne Fritz: Die Rübenmüdigkeit

Foto: Magdalena Blaszczuk

Konzepthalter aus Plastik, ein Lesepult aus den Resten von Spanplatten, Versuchsschachteln. Kugelige Texte in Bildern, räumliche Bilder in Texten: Zwei Menschen arbeiten jahrzehntelang in ihrer Wohnung zusammen. Die Frau schreibt, der Mann recherchiert. Otto Dünser, Lebensgefährte von Marianne Fritz, im „Standstill“ einer Wohnung.

Tief und ironisch klingt die Stimme aus dem Gang zwischen Backsteinwänden hervor. „Muss ich nun den Blättern der Rüben meine Seele geben? Ich spüre die Rübenmüdigkeit in mir. Die Gier nach Rüben kommt in der Rübenmüdigkeit zu ihrer Grenze.“ Träumerisch verspielt folgen noch lauter Worte mit Ü’s in Poetik verspannt, wie das Gemüt und immer wieder die Rüben und die Rübenmüdigkeit. Es klingt ein bißchen so, als ob jemand schlafwandlerisch vor sich hin spricht, nicht ganz da und nicht ganz fort. „Alle Pflanzenkrankheiten müssen sich irgendwo ansiedeln dürfen, um sich zu spüren“, tönt es aus dem Lautsprecher. „Die ihre Müdigkeit spüren. Wurzelbrand. Die Rübe.“ Diesen Beitrag weiterlesen »

postheadericon Nightmares come true

Der Sadist realisiert seine persönliche Hölle mit echten Menschen und muss schon gar nichts mehr machen – die Gefangenen quälen sich gegenseitig.

Mit einem kraftvollen, riesigen Satz springt der Sadist auf die Bühne zurück, nachdem er lange oben im Dunkeln verharrte – von einer Empore, einer Brüstung, einer Art Balkon neben dem Zuschauerraum aus das Treiben der Gefangenen beobachtete. Der Sadist trägt eine rote Baskenmütze, einen langen dunklen Mantel, Stiefel, eine schwarze Maske vor dem Gesicht und ein Lederarmband mit Nieten. Unheimlich, wie er lange ruhig und trotzdem gespannt beobachtet, unheimlich, wie emotionslos er seinen Aufgaben nachgeht, die Gefangenen in Angst und Schrecken zu versetzen, nur ab und zu lacht er laut und amüsiert sich auf seine Weise – in der Tradition der Erotik der Dominanz.

„Sho Kman“ („Was noch?“) heißt die anstrengende und gewaltvolle Performance von jungen Palästinensern aus dem Flüchtlingslager Jenin, die im Wiener „Dschungel“ im Museumsquartier für österreichische Jugendliche ab 14 Jahren zu sehen war.

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postheadericon „Super zoom“ aus Südafrika: „You live in a property bubble“

Die beiden südafrikanischen Performerinnen Awelani Moyo und Mmakgosi Kgabi spielen sich hin und weg: „Professor! The state of the West is – excuse my words – fucked up!“

Mit leichtem Geiste und mal eben so nebenbei mit leichter Geste zertrümmern die beiden Frauen Afrika-Klischees in den Köpfen der Wiener Zuschauer – ein Bild nach dem anderen: Awelani Moyo und Mmakgosi Kgabi aus Südafrika hüpfen auf Satire überhöht traditionelle afrikanische Tänze, verfremden die südafrikanische Hymne und strahlen dabei fröhlich von der Bühne herauf in den Zuschauerraum. Ein heller Bretterboden aus Holz liegt über dem schwarzen Boden im schwarz ausgemalten Theater „Dschungel“ im Wiener Museumsquartier. Die Performance „super zoom – Or how I learnt to Feel Good about The African Way“ veräppelt klassische Casting Shows: Zwei Afrikanerinnen investieren ins verarmte Europa und suchen unter den ZuschauerInnen einen Star, um ihr Geld los zu werden. Die fürchten sich und sind begeistert – gleichzeitig. „We travelled all this way – to invest in Vienna! Austria! Europe!“ Saxophonsolo, grünes Licht, klassische Bilder einer schwarzen Frau in Modeshows, dünn und souverän. Und der Jingel, bei dem die beiden in schicken schwarzen Kleidern auf Stöckelschuhen jedes Mal ihre Hüften kreisen: „Super sexy!“ Die beiden zeigen „a couple of contemporary styles“ – „Don’t forget, we are Africans, we can do everything!“ – und starten den Aufruf auf die Bühne zu kommen. „Just be yourself!“ Und es trauen sich echt welche, beim Casting mitzumachen. Die erleichterten Zuschauer gröhlen wie bei einem Fußballspiel.

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